RestschuldbefreiungWer einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen will, muss einen Antrag auf Eröffnung des Unternehmens- oder Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen stellen. Antrag auf Restschuldbefreiung/ InsolvenzkostenstundungDer Antrag auf Restschuldbefreiung kann ggf. mit einem Antrag auf Insolvenzkostenstundung verbunden werden. In diesem Fall werden dem Schuldner, dessen Vermögen zur Deckung der im Verfahren entstehenden Kosten nicht ausreicht, auf Antrag die Verfahrenskosten gestundet. Mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung – die nur für den redlichen Schuldner vorgesehen ist – muss dieser den pfändbaren Teil seines Einkommens über einen Zeitraum von 3 Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen Treuhänder/ Insolvenzverwalter abführen, der die Beträge an die Gläubiger weiterleitet. Die Rückzahlung der gestundeten Verfahrenskosten hat dabei allerdings Vorrang. WohlverhaltensperiodeWird das Insolvenzverfahren – wie im Regelfall - vor Ablauf des Abtretungszeitraums aufgehoben, schließt sich an das Insolvenzverfahren eine „Wohlverhaltensperiode“ an. Der Schuldner muss sich insbesondere um zumutbare Arbeit bemühen und jeden Arbeits- und Ortswechsel gegenüber dem Gericht anzeigen. Kommt er diesen Verpflichtungen nicht nach, kann das Gericht die Restschuldbefreiung versagen, allerdings nur, wenn ein Insolvenzgläubiger dies beantragt. Nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode erteilt das Gericht durch Beschluss für die nicht erfüllten Insolvenzforderungen (mit wenigen Ausnahmen) Restschuldbefreiung. Insolvenzgläubiger können ihre noch offenen, von der Restschuldbefreiung erfassten Forderungen dann nicht mehr durchsetzen. Restschuldbefreiung im EinzelnenDie Restschuldbefreiung ist ein zentrales Element des deutschen Insolvenzrechts. Sie bietet überschuldeten natürlichen Personen – sowohl Verbrauchern als auch ehemals selbstständig Tätigen – die Möglichkeit, sich von ihren Schulden zu befreien und einen wirtschaftlichen Neuanfang zu starten. Dieser Prozess ist an strenge gesetzliche Vorgaben und Verhaltenspflichten gebunden. Nachfolgend werden die Restschuldbefreiung, ihre Voraussetzungen, der Ablauf und die Konsequenzen detailliert erläutert.
1. Ziel und Bedeutung der RestschuldbefreiungDie Restschuldbefreiung dient zwei Hauptzielen: - Schuldnerentlastung: Dem Schuldner wird eine wirtschaftliche Perspektive ohne die Belastung alter Schulden ermöglicht.
- Gläubigerbefriedigung: Während des Verfahrens werden die pfändbaren Vermögenswerte und Einkünfte des Schuldners zur Befriedigung der Gläubiger eingesetzt.
Dieses Konzept spiegelt den Gedanken wider, dass Schuldner nach einem geordneten Verfahren die Chance auf einen Neuanfang erhalten sollen.
2. RechtsgrundlagenDie Regelungen zur Restschuldbefreiung finden sich in den §§ 286 bis 303a der Insolvenzordnung (InsO). - § 286 InsO: Antrag auf Restschuldbefreiung.
- § 287 InsO: Abtretung des pfändbaren Einkommens.
- § 295 InsO: Obliegenheiten des Schuldners.
- § 298 InsO: Versagung bei Zahlungsversäumnissen.
- § 302 InsO: Forderungen, die nicht von der Restschuldbefreiung umfasst sind.
3. Voraussetzungen für die Restschuldbefreiung3.1 Persönliche Voraussetzungen- Natürliche Personen: Die Restschuldbefreiung steht nur natürlichen Personen offen.
- Keine strafbare Insolvenzverschleppung: Geschäftsführer juristischer Personen können für ihre privaten Schulden Restschuldbefreiung beantragen, wenn keine strafbare Insolvenzverschleppung vorliegt.
3.2 Antragstellung- Der Schuldner muss bereits mit dem Insolvenzantrag einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen (§ 287 Abs. 1 InsO).
- Ein separater Antrag ist nicht möglich, wenn der Insolvenzantrag bereits zurückgewiesen wurde.
3.3 WohlverhaltensphaseDer Schuldner muss während des Verfahrens und der Wohlverhaltensphase bestimmte Pflichten (Obliegenheiten) erfüllen, um die Restschuldbefreiung zu erhalten.
4. Ablauf der Restschuldbefreiung4.1 Antragstellung- Zeitpunkt: Der Antrag auf Restschuldbefreiung erfolgt mit dem Insolvenzantrag (§ 287 InsO).
- Inhalt: Der Antrag enthält eine Abtretungserklärung, mit der der Schuldner sich verpflichtet, sein pfändbares Einkommen während der Wohlverhaltensphase an einen Treuhänder abzutreten.
4.2 Insolvenzverfahren- Eröffnung des Insolvenzverfahrens:
- Das Verfahren wird eingeleitet, und der Treuhänder verwaltet das Vermögen des Schuldners.
- Die pfändbaren Vermögenswerte werden verwertet, um die Gläubiger zu befriedigen.
- Prüfung der Forderungen:
- Gläubiger melden ihre Forderungen an.
- Der Treuhänder prüft die Forderungen und erstellt eine Vermögensübersicht.
4.3 WohlverhaltensphaseNach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens beginnt die Wohlverhaltensphase, die seit der Reform von 2021 regelmäßig drei Jahre beträgt. Pflichten des Schuldners während der Wohlverhaltensphase (§ 295 InsO):- Erwerbsobliegenheit: Der Schuldner muss eine zumutbare Erwerbstätigkeit ausüben oder sich aktiv darum bemühen.
- Abtretung des Einkommens: Der Schuldner muss den pfändbaren Teil seines Einkommens an den Treuhänder abtreten.
- Mitwirkungspflichten: Der Schuldner muss Änderungen seiner Vermögenslage und seines Wohnsitzes unverzüglich mitteilen.
- Keine neuen Schulden: Der Schuldner darf keine neuen Schulden machen, die er nicht begleichen kann.
4.4 Erteilung der RestschuldbefreiungAm Ende der Wohlverhaltensphase entscheidet das Insolvenzgericht, ob die Restschuldbefreiung erteilt wird (§ 300 InsO).
5. Dauer der RestschuldbefreiungDie Gesamtdauer des Verfahrens wurde durch die Reform der Insolvenzordnung im Jahr 2021 auf drei Jahre reduziert. - Verkürzungsmöglichkeiten:
- Sofortige Restschuldbefreiung bei vollständiger Befriedigung der Gläubiger.
- Verkürzung auf ein Jahr, wenn die Verfahrenskosten und 35 % der Forderungen gedeckt werden.
6. Versagung der Restschuldbefreiung6.1 Gründe für die Versagung (§§ 290, 297, 298 InsO)- Pflichtverletzungen: Verletzung der Obliegenheiten, z. B. Nichterfüllung der Erwerbsobliegenheit (§ 295 InsO).
- Vorsätzliche Falschangaben: Unrichtige oder unvollständige Angaben über die Vermögenslage (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO).
- Benachteiligung der Gläubiger: Beispielsweise durch Vermögensverlagerungen oder unzulässige Zahlungen vor der Insolvenz.
- Neue Schulden: Aufnahme von Verbindlichkeiten, die nicht bedient werden können.
6.2 Antrag auf Versagung- Gläubiger können die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen.
- Das Insolvenzgericht entscheidet, ob die Versagung begründet ist.
7. Wirkung der Restschuldbefreiung7.1 Forderungen, die erlöschen- Alle Insolvenzforderungen, die bis zum Abschluss des Verfahrens bestehen, erlöschen (§ 301 InsO).
- Der Schuldner ist von diesen Schulden befreit.
7.2 Ausnahmen (§ 302 InsO)Bestimmte Forderungen bleiben von der Restschuldbefreiung unberührt: - Geldstrafen und Bußgelder.
- Schulden aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen.
- Unterhaltsschulden, soweit sie gesetzlich unpfändbar sind.
- Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen des Bundes.
7.3 Neue Forderungen- Schulden, die während oder nach der Wohlverhaltensphase entstehen, werden nicht von der Restschuldbefreiung umfasst.
8. Vorteile und Risiken8.1 Vorteile- Schuldner:
- Vollständige Entlastung von Schulden nach Abschluss des Verfahrens.
- Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs.
- Gläubiger:
- Geordnete Abwicklung und zumindest teilweise Befriedigung der Forderungen.
8.2 Risiken- Für Schuldner:
- Strenge Anforderungen und Verpflichtungen während der Wohlverhaltensphase.
- Versagung der Restschuldbefreiung bei Pflichtverletzungen.
- Für Gläubiger:
- Verlust der Möglichkeit, nicht gedeckte Forderungen geltend zu machen.
9. Beispiele und Urteile zur Restschuldbefreiung9.1 Beispiel:Ein Arbeitnehmer mit einem Schuldenstand von 50.000 € durch Kreditverträge und offene Rechnungen beantragt Restschuldbefreiung. Nach einer Wohlverhaltensphase von drei Jahren, in der er pfändbare Einkommensanteile abgetreten hat, wird ihm die Restschuldbefreiung gewährt. Er ist schuldenfrei. 9.2 Wichtige Urteile:- BGH, Urteil vom 13.10.2016, IX ZR 184/14: Der Schuldner darf während der Wohlverhaltensphase keine neuen Schulden machen, die er nicht begleichen kann.
- BGH, Urteil vom 18.02.2021, IX ZR 65/20: Falschangaben über die Vermögenslage führen zur Versagung der Restschuldbefreiung.
10. RestschuldbefreiungDie Restschuldbefreiung ist ein wirkungsvolles Instrument des deutschen Insolvenzrechts, um überschuldeten Privatpersonen einen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen. Der Erfolg hängt jedoch maßgeblich davon ab, dass der Schuldner alle gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt. Unsere Kanzlei unterstützt Schuldner und Gläubiger gleichermaßen bei der effektiven Nutzung und Überwachung der Restschuldbefreiung, um rechtssichere und gerechte Ergebnisse zu erzielen. |